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Zu Gast bei John Strelecky im Café am Ende der Welt

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letzte Aktualisierung am 19. Dezember 2020 durch Redaktionsteam

Im nachfolgenden Beitrag werde ich einen etwas kritischen Blick auf den Bestseller „Das Cafe am Rande der Welt“  des Amerikaners John P. Strelecky werfen.

Das Buch, das erstmals 2003 im Selbstverlag erschien, hat einen überwältigenden kommerziellen Erfolg, den es aus meiner Sicht nicht verdient hat. Doch dazu später mehr.

2006 erschien das Buch bei Da Capo Press in Boston.

Die deutsche Version gibt es seit  2007 bei dtv. Sie rangiert bei amazon auch heute unter den bestverkauften (Selbsthilfe)Büchern. Das Café am Rande der Welt ist wirklich sensationell.

Zumindest was seinen Absatz anbelangt. So zählte es zu den Verkaufsbestsellern 2015, 2016, 2017 und war 2018 sogar das meistverkaufte Buch in Deutschland überhaupt. Das ganze fast 20 Jahre nach seinem Erscheinen.

Manchmal ist es offensichtlich tatsächlich sehr lohnenswert den von Georg Leonard beschriebenen „längeren Atem“ zu beweisen.

2018 dominierte John Strelecky die Ratgeber-Bestsellerliste in Deutschland sogar mit drei Top Ten Platzierungen.

Mit seinem „Das Café am Rande der Welt“ belegte er den Spitzenplatz, mit seinen „Big Five for Life“ (2009) Platz 3  und der Folgeband seines Megaerfolges unter dem Titel  „Wiedersehen im Café am Rande der Welt“ (2015) schaffte es immerhin bis bis auf Rang 5.

Bis heute hat Strelecky mit seinen Büchern allein in Deutschland eine Gesamtauflage von über 1,8 Millionen Exemplaren erreicht.

Nur kalter Kaffee im Café am Ende der Welt

Angesichts der Qualität seines Inhalts und auch seiner „schreibhandwerklichen Kunst“  finde ich dem Erfolg von „Das Café am Rande der Welt“ wirklich mehr als bemerkenswert.

Aber offensichtlich sind nicht nur in den USA sehr viele Leser nicht sonderlich anspruchsvoll und lieben Lösungen a la „Alles ist möglich“, „Du selbst und sonst niemand ist für deinen Erfolg verantwortlich“.

Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Für mich ist das Buch schlicht und ergreifend schlecht.

Ich bin geneigt zu sagen sogar miserabel. Das ausgerechnet das Buch unter mehr als 1.000 meiner Leseliste den größten kommerziellen Erfolg hat, macht mich schon fast ein wenig betroffen. Bekanntlich sieht aber ja jeder die Welt so wie er ist und nicht so wie sie ist.

Ich will dir im Folgenden jedoch nicht vorenthalten, warum ich das so sehe und dir ein paar Bücher ans Herz legen, die sehr viel mehr Substanz beinhalten.

Daher lass uns auf einen gemeinsamen Kaffee im Café am Rande der Welt verweilen und den möglichen Grund seines Erfolges erkunden.

Der Buchinhalt:

Die Hauptfigur der Erzählung, John, steht auf dem Weg ….(zur Arbeit ?) im Stau, nachdem ein Lastwagen umgestürzt ist und ihm die Fahrbahn versperrt.

Nachdem er sich zunächst nur im Schneckentempo fortbewegt wird er ungeduldig, wendet und nimmt die nächstbeste Ausfahrt. Dabei verfährt er sich im Niemandsland und wird angesichts seines immer leerer werden Tanks zunehmend nervöser.

Doch er hat doppeltes Glück im Unglück und erreicht das Café am Ende der Welt. Hier kann er nicht nur seinen Hunger und Durst stillen, sondern erhält ganz nebenbei noch eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, die er sich so zuvor noch nie gestellt hat.

Dies geschieht in der Art und Weise, dass die Karte des Cafes drei existentielle Fragen beinhaltet. Nämlich: Warum bist du hier? Hast du Angst vor dem Tod? Führst du ein erfülltes Leben?

Die erste Frage bezieht sich natürlich nicht auf die Anwesenheit im Café, sondern auf den eigentlich Sinn des Lebens. Im Buch wird er der Zweck der Existenz genannt. Streckely gebraucht im Folgenden die Abkürzung ZDE. Das klingt dann so: „John, weißt du, was dein Z  D E ist?“. Naja…

Nach einer Nacht voll philosophischer Gespräche mit der Bedienung, dem Koch, sowie weiteren sinnerfüllten Menschen soll sich Johns bisheriges Leben zum Guten verändern.

So kann er sein Auto nächsten Morgen in der gleich um die Ecke gelegenen Tankstelle auftanken und die angrenzende Auffahrt auf den Highway nutzen, um in sein neues „erleuchtetes“ Leben zu starten.

Um Dir nur einen Eindruck vom schriftstellerischen Können Streleckys zu geben, zitiere ich nur eine denkwürdige Stelle: „Ich griff nach meinem Wasser und merkte nicht, wie Casey Mike zuzwinkerte.“ Ah ja, er bemerkt also etwas ohne es zu bemerken…

Nun, dieser Satz passt wunderbar zur Botschaft des Buches „Mach Dir die Welt, gerade so wie sie Dir gefällt…“

Die Kernbotschaft

Streleckys Erfolgsphilosophie ist von der Kernbotschaft geprägt „Alles ist möglich, wenn Du nur fest genug daran glaubst. Deine felsenfeste Überzeugung genügt und alles von Dir Ersehnte wird wie von allein in dein Leben kommen. Das gab es so oder so ähnlich auch schon mal in Bärbel Mohrs „Wünsche an das Universum“. Sie, die einer Krebserkrankung erlag, die sie bis zuletzt vor ihrer Fangemeinde Geheim hielt macht eindrucksvoll deutlich, dass es mit den Wünschen an das Universum allein nicht getan ist.

Dieses Denken hat in der von den USA ausgehenden New Age Erfolgsphilosophie bereits eine sehr lange Tradition und findet seit Ende des 19. Jahrhunderts weltweit immer mehr Anhänger.

Dass diese Ideologie tatsächlich das Leben von Menschen zu verändern vermag, beweisen insbesondere Erfolgs-Gurus wie Trelecky sehr eindrucksvoll, die sie durch ihre überzeugende Verbreitung reich macht, während der Großteil ihrer Anhängerschaft nicht nur finanziell arm bleibt, sondern auch geistig bereits ziemlich arm zu sein scheint.

Jeder bestimmt sein Schicksal ausschließlich allein ist eine Botschaft, die auch dadurch nicht richtiger wird, dass sie millionenfach wiederholt wird.

Und außerdem kann niemand einen Menschen daran hindern oder ihn in die Lage versetzen, all das zu erreichen und zu tun, was er im Leben möchte. Wir alle bestimmen unser Schicksal selbst.

Das klingt nahezu phantastisch und ist es auch. Natürlich wird es immer wieder Vorkommnisse geben, die einer Erfüllung deiner Wünsche im Weg stehen können.

Und manchmal sind es auch plötzlich von außen auf dich einwirkende Einflüsse wie Krisen, Krankheiten, oder ein Coronavirus, denen Du dich gegenübergestellt siehst.

Daher ist es nicht für deinen Erfolg, sondern auch für dein Seelenheil von wirklicher Bedeutung, zwischen Dingen die deinem Einflussbereich liegen und solchen, die sich ihm entziehen, unterscheiden zu können.

Wie erkannte einst ein schlauer Mann* ganz richtig:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

(* Obwohl  ich stets bemüht bin, die richtigen Quellen für die von mir gebrauchten Zitaten anzugeben, ist es in vorliegendem Fall nicht ganz so einfach, da das Zitat neben Franz von Assisi, einer Vielzahl weiterer bekannter Persönlichkeiten, sehr häufig  auch dem US amerikanischen Theologen, Philosophen und Politikwissenschaftler Reinhold Niebuhr zugeschrieben wird. Mir sind leider keine belegten Quellen bekannt.)

Zudem geht von der vermittelten Botschaft auch eine nicht unerhebliche Gefahr aus.

Denn während Du im positiven Fall deines Glückes Schmied bist, so bist Du im Fall eines Scheiterns auch für dein vermeintliches Versagen allein verantwortlich.

Dieses Schablonendenken ist nicht wirklich dazu angetan, Selbstvertrauen zu stärken und vorhandene Selbstzweifel zu überwinden oder Persönlichkeitsentwicklung zu fördern.

Vielmehr macht sie aus Menschen, die trotz Bemühungen keinen Erfolg haben, Verlierer.

Jeder Mensch, der ernsthaft an seinem Traum arbeitet, verändert sich dabei aber immer zum Positiven und entwickelt sein Potential sehr viel weiter als ein Mensch, der nur deshalb nicht gescheitert ist, weil er es nie versucht hat.

Deshalb ist ein Mensch, der sein ursprünglich gesetztes Ziel nicht erreicht niemals ein Versager.

Das sind alle Jene, die sich über die Wagemutigen lächerlich machen und nicht den Mut besitzen, ihre Komfortzone jemals zu verlassen und sich selbst zu beweisen, was in ihnen steckt.

Doch auch sonst ist eine Lektüre von „Das  Café am Rande der Welt“ nicht wirklich zielführend. So wird beispielsweise auf die zweite Frage der Speisekarte „Hast Du Angst vor dem Tod?  überhaupt nicht näher eingegangen.

Das tue ich dann mal ersatzweise in meinem Beitrag „Warum Du den Tod nicht fürchten solltest“

Auch die Antwort auf die Sinnfrage, oder Suche nach dem Zweck der Existenz, wie sie Streckeley nennt, wird mit einer an Banalität fast nicht mehr zu übertreffenden Floskel abgehandelt.

 „Wenn jemand wirklich wissen möchte, warum er hier ist, muss er die Antwort selbst herausfinden.“

Schau besser mal in ein Buch von Viktor Frankl, wenn du dich ernsthaft mit der Frage nach dem Sinn (deines Lebens) beschäftigen willst.

Dass ein Buch ohne jeglichen Tiefgang einen derartigen Erfolg haben kann, mag manchen ernsthaft an Persönlichkeitsentwicklung Interessierten schon fast erschüttern und ist wirklich bemerkenswert. Zumindest folgt es dem Grundsatz „Machs einfach“.

Zudem sagt der Erfolg des Buches sehr viel mehr über die Unzufriedenheit in unserer Gesellschaft aus als über wahrhafte Sinnsucher, zu denen ich Streckeley ebensowenig zähle.

Ob das was er schreibt tatsächlich sinnvoll oder nicht sehr viel eher lohnenswert ist, lass ich mal dahingestellt. Letzteres erfordert es ja nicht unbedingt, ehrenwert zu sein.

Nicht jeden von Streleckys Lesern wird es nach meiner Einschätzung gelingen, auf die Frage warum er hier ist, eine überzeugende Antwort zu finden. Insbesondere dann nicht, wenn er nicht noch einmal aus einer ergiebigeren Quelle der Inspiration schöpft.

In Zeiten wo man Menschen mit Botschaften wie „7 Kilo weniger in 3 Tagen“ zu überzeugen vermag und ein amerikanischer Präsident namens  Donald Trump so glorreiche Empfehlungen wie die Einnahme von Desinfektionsmitteln zur Covid-19 Bekämpfung kundtut, sage ich dazu nur:

Armes Amerika.

Mir kommen dabei unwillkürlich Albert Einsteins Worte in den Sinn:

Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

Da ich aus vorstehenden Gründen nicht nur getrost auf eine „Wiederkehr im Café am Rande der Welt“ verzichten kann, sondern Dir von einem Erstbesuch bereits tunlichst abrate, empfehle ich Dir lieber nachfolgend 2 Bücher, die wirklich inspirieren und impulsauslösend wirken können:

„Der träumende Delphin“ von Sergio Bambaren. In ihm wird in der Metapher von Daniel Alexander, dem Delphin,  wunderschön dargestellt mit welchen Widerständen Du durch dein Umfeld rechnen musst, wenn du dich erst einmal ernsthaft die Suche nach dir selbst begibst.

„Komm, ich erzähle dir eine Geschichte“ von Jorge Bucay.

In ihm erzählt der Psychotherapeut Jorge seinem jungen Klienten Demian ganz unterschiedliche Geschichten, deren Verständnis es Demian ermöglichen, eine ganz neue Sichtweise zu seinen Problemen zu gewinnen.

 

 

 

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